Achtsamkeit am Arbeitsplatz
Arbeiten im Hier und Jetzt
Wann haben Sie sich das letzte Mal mit ganzer Aufmerksamkeit nur einer Aufgabe gewidmet? Wann waren Sie das letzte Mal wirklich fokussiert auf das, was Sie tun?
Während Sie diesen Artikel lesen, lesen Sie ihn wirklich, oder überfliegen Sie ihn und sind mit den Gedanken schon bei dem nächsten Punkt auf Ihrer To-Do-Liste oder vielleicht sogar nebenbei am Telefon?
Das ist doch „Multitasking“ werden Sie vielleicht denken. Dabei ist inzwischen wissenschaftlich belegt, dass unser Gehirn nicht in der Lage ist, sich auf mehrere Aufgaben gleichzeitig zu konzentrieren. Es kommt uns nämlich nur so vor, als ob wir gleichzeitig telefonieren und eine E-Mail lesen können! In Wahrheit wechselt unser Gehirn aber so blitzschnell den Fokus zwischen den Aufgaben, dass wir diesen Wechsel erst bewusst mitbekommen, wenn wir nicht mehr wissen, was unser Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung gerade gesagt hat.
Statt Erleichterung schafft uns solch ein Arbeiten enormen Stress, da wir das Gefühl bekommen, nie eine Aufgabe richtig und konzentriert zu Ende machen zu können. Nachgewiesenermaßen sparen wir Zeit und liefern eine höhere Qualität, wenn wir eine Sache nach der anderen machen.
Doch warum denken wir, dass wir alles gleichzeitig erledigen können und sollen? Und wie befreien wir uns aus der Multitaskingfalle?
Einen Weg aus der mentalen Überforderung bietet die Achtsamkeitspraxis.
Im Hier und Jetzt sein – das fasst das Konzept der Achtsamkeit gut zusammen. Seine Ursprünge hat das Achtsamkeitskonzept im Buddhismus. Die tiefe Ruhe und das Loslassen der Gedanken in der buddhistischen Lehre der Meditation sind nur möglich, wenn man achtsam ist, also gedanklich nicht abschweift. Da das eine nicht ohne das andere funktioniert, werden die Begriffe „Achtsamkeit“ und „Meditation“ häufig synonym verwendet.
Der Begriff „Achtsamkeit“ wurde in den 1970er Jahren von Jon Kabat-Zinn, einem US-amerikanischen Anhänger des Zen-Buddhismus und Molekularbiologen, geprägt. Er entwickelte ein Achtsamkeitstraining mit dem Titel „Mindfulness-Based Stress Reduction“ (dt.: „Stressbewältigung durch Achtsamkeit"). Es stellte sich heraus, dass Mitarbeiter, die an diesem achtwöchigen Programm teilnahmen, eine deutlich höhere Aktivität in dem Gehirnbereich, der für positive Emotionen zuständig ist, zeigten und selbst angaben, weniger gestresst zu sein.
Achtsames Handeln lässt sich im Alltag mit etwas Übung leicht integrieren und basiert darauf, dass der aktuelle Moment bewusst wahrgenommen wird und aufkommende Gefühle sowie Gedanken beachtet, aber nicht bewertet werden.
Lässt sich das lernen? Ja. Versuchen Sie es einfach mit diesem kurzen Achtsamkeitsimpuls: Nehmen Sie sich eine Minute Zeit und registrieren Sie Ihre Sinneswahrnehmungen. Was hören Sie? Was fühlen Sie? Was riechen Sie? Was sehen Sie? Was schmecken Sie? Nur aufnehmen und benennen, nicht bewerten oder interpretieren; die Situation einfach wahrnehmen und beschreiben. Es geht darum, sich und seiner Situation in aller Ruhe bewusst zu werden.
Übungen dieser Art können uns helfen aus unserem ständigen Gedankenstrom auszusteigen und für einen Moment nicht darüber nachzudenken, was gestern war und was morgen sein könnte.
Vorteile – auch im beruflichen Kontext – bringt achtsames Handeln viele: Neben einer Aktivierung des Hirnbereiches für positive Emotionen, hilft Achtsamkeit dabei, Abstand zu stressigen Situationen zu gewinnen und langfristig dadurch überlegter zu handeln. Wenn ich mich zunächst frage, welche Gedanken und Gefühle aufkommen, wenn es einen beruflichen Konflikt gibt, und ich dann merke, was für mich eine gute Lösung wäre, komme ich sehr viel weiter, als wenn ich nahezu automatisiert in meinen alten Mustern handle. Außerdem schützt ein achtsamer Umgang mit sich selbst vor dauerhafter Überforderung und ist somit ein Baustein psychischer Gesundheit.
Für den Arbeitsalltag eignet sich auch die folgende Übung:
Beobachten Sie zwei Minuten wertfrei Ihren Atem. Ist er flach oder tief, schnell oder langsam? Die Konzentration auf den Atem senkt Puls und Blutdruck, beruhigt und ist eine einfache, überall anwendbare Methode achtsam zu sein.
Doch es bedarf noch nicht einmal spezieller Übungen, um seine Achtsamkeit zu schulen. Kleine Ausstiege aus Gewohnheiten zwingen unser Gehirn sich auf die Gegenwart zu fokussieren. Putzen Sie als Rechtshänder doch mal mit der linken Hand die Zähne oder nehmen Sie einen neuen Weg zur Arbeit. Sie werden merken, dass gedankliches Abschweifen, wie es sonst bei automatisierten Handlungen möglich ist, weniger gelingt. Infolgedessen lernt unser Gehirn in der Gegenwart zu verweilen und Grübeln über Vergangenes oder Zukünftiges bewusster wahrzunehmen und abzustellen.
Weniger vermeintliches „Multitasking“, mehr Fokus auf die aktuelle Aufgabe, gedankliches Abschweifen bemerken, aber nicht bewerten, hin und wieder kurze Achtsamkeitsimpulse einstreuen und nicht automatisiert in seinen alten Mustern reagieren, sondern kritische Situationen zunächst mit Abstand auf eigene aufkommende Gefühle und Gedanken überprüfen und dann erst handeln – das ist der Weg, wie Achtsamkeit am Arbeitsplatz gelingen kann.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Ausprobieren und Erleben achtsamer Momente.
Ihre Wiebke Zink
Dezember 2022
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